Kurzgeschichten von Anne Wöckener-Gerber
Kurzgeschichten von Anne Wöckener-Gerber

Das kennst du doch

 

„Du, Gaby, kann es sein, dass Jens eine Affäre hat?“ Petra wühlte ohne aufzublicken in dem Karton mit Ostergras.

„Dein Jens? Du spinnst!“ Gaby sammelte die bunten kleinen Bälle auf und warf sie zurück ins Bällebad. Einige prallten an der Umrandung ab und sprangen wieder weg. Gaby bückte sich erneut. Petra sah, wie sich dabei der Schlüpfer ihrer Freundin und Kollegin durch die Hose abzeichnete. Unwillkürlich strich sie sich über ihren flachen Hintern.

„Ich habe neulich mitbekommen, dass er in der Garage mit seinem Handy telefonierte.  Er dachte wohl, ich kann ihn dort nicht hören. Konnte ich auch nicht richtig, aber der Tonfall war so vertraut, so verschwörerisch. Und als vor ein paar Wochen die Fischer hier auftauchte, wären ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen. Du warst doch auch dabei. Ist dir das nicht aufgefallen?“

„Oh, Petra, mach mal halblang! Dass Jens gerne attraktiven Frauen nachschaut, das kennst du doch. Holger ist da nicht anders.“

Petra starrte durch die große Glastür nach draußen auf die Schaukel. Gaby legte den Arm um sie. „Komm her!“ Gaby zog Petra zu dem Tischchen, auf dem noch Pfützen von Kakao und Apfelsaft standen, drückte sie auf einen der Kinderstühle und setzte sich daneben.

„Ich will dir mal was sagen: Jens und du, ihr seid seit über 20 Jahren verheiratet. Ihr habt drei wohlgeratene Töchter. Du hast dein Studium für ihn aufgegeben. Du hast deinen Schwiegervater gepflegt bis zu seinem Tod. Jens schläft mit dir. Wie sagt Jens immer? „Wir machen unser Ding.“ Warum also sollte er dich verlassen?“

Petra tauchte ihren Zeigefinger in eine Kakaopfütze und zog eine Bahn zu einer Apfelschorlenpfütze. Sie flossen leicht ineinander. Ein Muster aus Schlieren entstand. Hübsch und eklig. Petras Blick ging an Gabys Kopf vorbei ins Leere.

„Könnte Holger ihn nicht vielleicht ein bisschen aushorchen? So von Mann zu Mann, meine ich. Die beiden bereden doch sonst auch immer alles.“

„Holger würde sofort den Braten riechen. Nein, nein. Darum kann ich ihn nicht bitten.“

Gaby streichelte Petra über den Rücken, zupfte die Knötchen von deren mittelblauen Wollpulli. Petra zog die Schulterblätter zusammen.

„Wenn Jens eine Affäre hat, dann gehe ich zu meiner Mutter“, stieß sie hervor.

„Und ich fress‘ einen Besen, wenn Jens eine Affäre hat. Gaby stand auf,  ging zum Besenschrank auf dem Flur und nahm einen heraus. „Hier! Den!“

Petra lächelte gequält. Gaby stupste sie mit dem Stiel leicht in den Bauch. Petra krümmte sich. Gaby zog ihn weg und stützte sich darauf. „Das müsste man doch merken, denke ich“, sagte sie. „Nicht so die große Nummer mit Lippenstift am Hemdkragen oder Gleitgel im Handschuhfach. Ich habe immer das Gefühl, dass man danach riecht, wenn man Sex hatte. Kennst du das nicht auch?“ Petra stöhnte auf. „Ist dir das jetzt peinlich, Petra?“

„Ich finde, über Sex sollte man nicht mit anderen reden. Das geht nur Holger und dich was an oder Jens und mich.“

„Schon gut. Ist noch was? Ich müsste dann auch los zur Ärztin, habe mir wahrscheinlich so einen fiesen Scheidenpilz aufgesackt.“

Gabys Handy stimmte „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ an. „Hallo, Bärchen! Ja, ist ok. Bis dann!“

Petra guckte Gaby fragend an.

„Holger kommt heute später zum Abendessen. Er muss noch die Statistik mit seiner Sekretärin fertig machen.“

Petra lachte schrill auf.

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© Anne Wöckener-Gerber