Mit voller Wucht
Der Vorschlaghammer sauste knapp neben der Tür zum Bad gegen die Wand. Die kleine Doppelhaushälfte bebte. Der Putz und Ziegelstücke fielen auf die ausgelegte Pappe. Johannes vergrößerte mit ein paar gezielten Schlägen den Durchgang.
Er drehte sich zu Moira und Fiona um, die von einer Ecke des Schlafzimmers aus zugeguckt hatten.
„Darf ich auch mal?“, fragte Moira ihren Vater.
„Später. Es gibt noch genug zu tun. Jetzt holt erstmal Opa rein!“, forderte er die beiden auf.
Fiona schob ihren Großvater im Rollstuhl vom Flur in sein Schlafzimmer. Johannes, Fiona und Moira schauten ihn erwartungsvoll an.
„Ihr hättet wenigstens auch mein Bett mit einer Plastikfolie abdecken können. Jetzt ist es ganz staubig und ich muss Birgit bitten, es neu zu beziehen.“
„Opa, ey, sei doch nicht so mäkelig! Das macht Mama doch gerne nachher.“
„Vater, was sagt du nun dazu, dass du heute Abend schon alleine mit dem Rollstuhl ins Bad fahren kannst?“
„Ja, danke, Johannes!“
„Den Rest mache ich in den nächsten Tagen fertig.“
Johannes bückte sich und schaufelte den Bauschutt mit Getöse in einen Eimer.
„Eine richtige Tür brauchst du aber nicht mehr.“
„Na, dann lasst mich mal durchfahren!“ Rudger drückte auf die alberne Hupe, die Fiona und Moira ihm für den Rollstuhl geschenkt hatten. Er rollte dicht ans Waschbecken, drehte den Hahn auf und bespritzte seinen Sohn. Johannes verzog das Gesicht.
„Raus mit euch! Ein bisschen Privatsphäre brauche ich schon.“
Johannes und die beiden Mädchen trollten sich. Birgit kam ihnen auf der Treppe mit einem vollen Wäschekorb entgegen.
„Der Apfelkuchen ist fertig. Ich habe ihn auf Vatis Esstisch gestellt. Draußen steht eine Frau mit zwei Koffern, die sagt, sie will zu Vati. Sie spricht schlecht Deutsch, aber Englisch. Ich habe ihr gesagt, sie soll bitte einen Moment warten. Johannes, kannst du das mal klären?“
Johannes schob sich zwischen seiner Frau und dem Treppenlift durch. An der Haustür wischte er sich die Hände an seiner Arbeitshose ab. Er öffnete.
„Ja, bitte?“, sagte er zu der kleinen drahtigen Frau mit dunklem Teint, die er auf etwa zehn Jahre jünger schätze als Birgit.
„Guten Tag!“, sagte die Frau, deren Akzent nicht zu überhören war. „Mein Name ist Cleo Mendes Ribeiro.“ Sie guckte auf ihr Smartphone und las stockend: „Ich möchte zu Herrn Rudger Kaulbach. Ich soll ihn pflegen.“
„Das muss ein Irrtum sein.“ Johannes schüttelte den Kopf. Keine englische Vokabel wollte ihm einfallen. „Error“, flüsterte Fiona ihm zu, die ihm neugierig gefolgt war und sich neben ihn gestellt hatte.
Die Frau hatte trotzdem verstanden und sagte: „Nein, nein!“ Sie zog ein Schreiben aus der Handtasche und reichte es Johannes.
Johannes las das Schreiben einer Organisation, die ausländische Pflegekräfte vermittelte, aus dem eindeutig hervorging, dass sein Vater sich vor einem halben Jahr an das Unternehmen gewandt und einen Vertrag unterschrieben hatte.
Johannes sah mit weit aufgerissenen Augen durch Fiona hindurch. Sie wich einen Schritt zur Seite.
„Was ist denn los?“, rief Birgit von oben herunter.
Johannes drehte sich um und stiefelte die Treppe hoch.
„Das ist los.“, sagte er tonlos und hielt ihr ein Papier hin.
„Vater, was soll das?“, fuhr er Rudger an.
„Was meinst du?“
„Die ausländische Pflegekraft. Sie steht draußen.“
„Endlich! Wie sieht sie aus? Sie wird ja auch hier mit wohnen.“
Birgit ging an Johannes und Rudger vorbei, ließ den Wäschekorb aufs Bett fallen.
Moira rutschte mit dem Rücken die Wand runter und kauerte am Boden.
Birgit hob den Vorschlaghammer auf.